Arbeitsstelle Pädagogische Lesungen

Schriftenreihen - Schriftenreihe der Arbeitsstelle Pädagogische Lesungen an der Universität Rostock - Neues & Archiv

aktuelle Ausgabe: 20/2023

Die Verankerung des antifaschistischen Gründungsmythos im Literaturunterricht der DDR (Kristina Koebe)

Der hiermit vorgelegte Beitrag knüpft an bisherige Forschungen zum antifaschistischen Gründungsmythos als systemkonsolidierendem Narrativ der DDR an. Er richtet den Blick auf den Deutschunterricht, um zu ermitteln, inwiefern der in Lehrplänen und Unterrichtshilfen nahegelegte Beitrag der Unterrichtsarbeit zur Mythenstiftung Eingang in praktisches Handeln von DDR-Lehrkräften fand. Dabei kann anhand der Beschäftigung mit den literarischen Texten „Das siebte Kreuz“, „Nackt unter Wölfen“ und „Die Abenteuer des Werner Holt“ in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren gezeigt werden, dass der Literaturunterricht tatsächlich zentrale Mytheme aufgreift, hierbei vor allem die zwingende Verbindung von Kapitalismus und Faschismus, die Einordnung der Arbeiterklasse als grundsätzlich antifaschistisch und größte Gegnerschaft der Faschist*innen und die Präsentation der Kommunist*innen als einzige wahre Führung des deutschen Antifaschismus. Gleichzeitig kann der Beitrag Veränderungen hinsichtlich der mit dem antifaschistischen Gründungsmythos verbundenen Erziehungsziele aufzeigen und damit eine bislang nicht erfolgte Ausdifferenzierung der mythenstiftenden Unterrichtsarbeit vornehmen.

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ISSN 2627-9568

Archiv Schriftenreihe 2019 / Jahrgang 1
01/ 2019 Sozialistische Schule zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Pädagogischen Lesungen ...

01/ 2019 Sozialistische Schule zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Pädagogischen Lesungen als ungehobener Schatz zur Erforschung von Unterricht in der DDR

Katja Koch, Kristina Koebe, Tilman von Brand und Oliver Plessow

Das Format Pädagogische Lesungen umfasst eine institutionalisierte Art des Erfahrungsaustausches von Pädagog*innen in allen Bereichen des DDR-Bildungswesens (Kindergarten, allgemeinbildende Schulen, Hilfsschulen, außerschulische Pädagogik). Dabei wird die schriftliche Niederlegung eigener Erfahrungen sowie innovativer Vorschläge zur Gestaltung pädagogischer Prozesse ergänzt durch die öffentliche (Vor-)Lesung für ein Fachpublikum praktisch tätiger Pädagog*innen in großangelegten zentralen Weiterbildungsveranstaltungen. Durch einen zentralistisch organisierten fachlichen Selektionsprozess gelangten zwischen 1955 und 1989 über die Pädagogischen Kreis- und Bezirkskabinette ca. 9500 ‚erfolgreiche‘ Lesungen bis zur Popularisierung und danach in die Pädagogische Zentralbibliothek im Haus des Lehrers Berlin. Der Bestand, der Lesungen aller Unterrichtsfächer ebenso umfasst wie jene zu allgemeinpädagogischen bzw. psychologischen Fragen, ist bis heute vollumfänglich erhalten.

Dieses Korpus stellt einen bildungshistorisch singulären Quellenbestand dar, der sich zur Analyse aus vielfältigen fachdidaktischen, bildungshistorischen und erziehungswissenschaftlichen Perspektiven anbietet. Dennoch sind Würdigung und wissenschaftliche Analyse des Quellenmaterials bis heute vollständig ausgeblieben.

Erste Analysen exemplarischer Lesungen deuten vielversprechend darauf hin, dass hier eine Quelle vorliegt, die die bisherige Lücke zwischen offiziellen Dokumenten des DDR-Bildungssystems und Zeitzeugenberichten füllen und somit zur Erhellung der Konzeption und Realisierung von Unterricht in der DDR beitragen kann.

Mit diesem Beitrag soll ein erster Schritt zur Analyse dieses in höchstem Maße originellen Quellenmaterials unternommen werden, indem zunächst das Format sowie dessen Entwicklung im Rahmen der DDR-Bildungspolitik kontextualisiert wird. Weiterhin werden die Kriterien, die an erfolgreiche Lesungen angelegt wurden, sowie der überlieferte Schriftverkehr im Kontext der Begutachtung einer ersten Betrachtung unterzogen, um hernach das Maß der administrativen sowie der bildungspolitischen Lenkung zum Verfassen und zur inhaltlichen Gestaltung zu umreißen. Im Ergebnis wird thesenhaft auf einige Potenziale verwiesen, die das Quellenmaterial hinsichtlich weiterer Forschungsperspektiven bietet.

02/ 2019 "Schöpferischer Umgang“ mit Lyrik im Unterricht der DDR: Methodische Vorschläge...

02/ 2019 "Schöpferischer Umgang“ mit Lyrik im Unterricht der DDR: Methodische Vorschläge in ausgewählten Pädagogischen Lesungen

Roberto Hübner

Ein aktiver und produktiver Umgang mit Texten im Literaturunterricht ist auch in der didaktisch-methodischen Fachliteratur der DDR gefordert worden. Doch wie ist ein Terminus wie der des Schöpfertums zu definieren und welche Konsequenzen ergaben sich daraus für den DDR-Unterricht? Ausgehend von einer ersten Begriffsbestimmung sollen hierzu exemplarisch ausgewählte Pädagogische Lesungen untersucht werden, die sich auf den Lyrikunterricht
beziehen.

03/ 2019 Reformpädagogik in der DDR – Eine kritische Betrachtung ... für Hilfsschulen

Reformpädagogik in der DDR – Eine kritische Betrachtung anhand der Pädagogischen Lesungen für Hilfsschulen

Katja Koch & Kristina Koebe

Sowohl im gesellschaftlichen Narrativ als auch in fachwissenschaftlichen Darstellungen wird das DDR-Bildungssystem als wenig fruchtbarer Boden für reformpädagogische Ansätze beschrieben. Bei genauerer Betrachtung bedarf diese Einschätzung jedoch mehrerer Korrekturen. Der Beitrag gibt zunächst einen kurzen Abriss der Entwicklungsphasen des DDR-Bildungssystems und skizziert differenziert das jeweilig vorherrschende Verhältnis zur Reformpädagogik. Dabei werden wesentliche Einflüsse reformpädagogischen Gedankengutes auf das DDR-Bildungssystem ebenso sichtbar wie deutliche Differenzlinien. Im zweiten Teil wird die pädagogische Praxis im DDR-Hilfsschulsystem anhand ausgewählter Pädagogischer Lesungen betrachtet.

04/ 2019 Die ‚anderen Kinder‘ in der DDR – Zeitgenössische Quellen und literarische Texte als Quelle

Die ‚anderen Kinder‘ in der DDR – Zeitgenössische Quellen und literarische Texte als Quelle für die Illustration, Ergänzung und Relativierung der Diskussion zum Umgang mit geistig behinderten Kindern

Katja Koch & Kristina Koebe

Der Beitrag umreißt zunächst den (institutionellen) Umgang mit geistig behinderten Kindern in der DDR und beschreibt die Entwicklung von 1945 bis 1989, indem er diesbezüglich relevante Handlungsebenen rekonstruiert und analysiert und die wechselseitige Bedingtheit der Teilsysteme beschreibt. Das sich  damit abzeichnende Bild wird durch die Alltagswirklichkeit betroffener Eltern und Professioneller, die in zeitgenössischen literarischen und nichtfiktionalen
Texten und den Pädagogischen Lesungen beschrieben wird, illustriert, ergänzt und kontrastiert. Eine auf dieser Basis vollzogene Zusammenführung der verschiedenen Fach- und Alltagsdiskursebenen zeigt, dass die bisherige Diskussion zum Umgang mit geistig behinderten Menschen in der DDR um wesentliche Facetten erweitert und in einigen Teilen revidiert werden muss.

Archiv Schriftenreihe 2020 / Jahrgang 2
05/ 2020 Den Wolken ein Stück näher – eine Positionierung der Pädagogischen Lesungen ...

Den Wolken ein Stück näher – eine Positionierung der Pädagogischen Lesungen innerhalb der öffentlichen und unterrichtlichen Rezeption des DDR-Jugendbuches von Günter Görlich

Kristina Koebe

Günter Görlichs Buch Den Wolken ein Stück näher wurde in der DDR breit rezipiert, nicht nur unter Jugendlichen. Zudem war es einer der wenigen zeitgenössischen Jugendromane, die – wenn auch erst anderthalb Dekaden nach Erscheinen – Eingang in den Unterrichtskanon des Landes fanden. Dieses Nebeneinander einer breiten öffentlichen (vergleichsweise weniger gelenkten) Rezeption und der Thematisierung im Literaturunterricht macht sich der hier vorgelegte Beitrag zunutze, um die Beschäftigungen mit dem Roman in den Pädagogischen Lesungen innerhalb der Gesamtrezeption und innerhalb der verschiedenen Unterrichtsvorgaben und -empfehlungen zum Roman zu verorten. Berücksichtigt werden dabei Verlagsgutachten und Presserezensionen als Dokumentationen der außerschulischen Wahrnehmung, Artikel in der Zeitschrift Deutschunterricht sowie die Ausführungen zum Thema in der Unterrichtshilfe für den Literaturunterricht und die Pädagogischen Lesungen selbst. In der Summe zeichnet die Betrachtung der hier konsultierten Quellen eine  Rezeptionschronologie, in der die Pädagogischen Lesungen sich als letzte zu Wort melden. Der Vergleich der verschiedenen Rezeptionspfade zeigt, dass man, als man dies dann tut, keine Alternativen zu bestehenden Unterrichtsvorgaben entwickelt. Vielmehr modifiziert man die Vorgaben der Unterrichtshilfen insofern, als man methodische oder mediale Umgestaltungen oder Abwandlungen vornimmt. Damit ist das Format in diesem Fall tatsächlich in der Lage, bislang an keinem anderen Ort behandelte und damit innovative Unterrichtspraxis zu präsentieren.

06/ 2020 Jenseits des ‚normalen Lebens‘ – Held*innen mit Beeinträchtigungen in der Jugendliteratur ...

Jenseits des ‚normalen Lebens‘ – Held*innen mit Beeinträchtigungen in der Jugendliteratur der DDR und ihre volksbildende Wirksamkeit

Katja Koch & Kristina Koebe

Das Abrücken von der Präsentation vorbildhafter sozialistischer Persönlichkeiten in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR der 1970er und 1980er Jahre bringt eine zunehmende literarische Thematisierung von Menschen mit Beeinträchtigungen mit sich. Innerhalb weniger Jahre erscheint eine ganze Reihe von Jugendromanen, deren Hauptfiguren eine Beeinträchtigung haben, die ihr Leben entscheidend prägt. Der hier vorgelegte Beitrag untersucht exemplarisch die Rezeption von vier dieser Texte in der DDR, um zu ermitteln, inwieweit sie dazu beitragen konnten, den damals sogar von staatlichen Stellen beförderten Diskurs über den Umgang mit beeinträchtigten Menschen an die Schulen zu tragen. Die Pädagogischen Lesungen als idealisierende Abbilder realen Unterrichts fungieren als maßgebliche Quelle, wenn es darum geht, Themenfindungen und Thematisierungen jenseits der Lehrplanvorgaben auszuloten. Anhand ihrer Auswertung ermittelt der Beitrag, inwiefern aktuelle Neuerscheinungen aus DDR-Verlagen unterrichtliche Kommunikationsanlässe für die Verhandlung von den eigenen Alltag betreffenden Problemen waren. Dabei erweist sich, dass das ansonsten in dieser Zeit recht präsente und breit rezipierte Thema „Menschen mit Beeinträchtigungen“ im Literaturunterricht der DDR trotz passender literarischer Angebote weitestgehend abwesend bleibt.

07/ 2020 Die Pädagogischen Lesungen im Rahmen der DDR-Lehrer* innenweiterbildung

Die Pädagogischen Lesungen im Rahmen der DDR-Lehrer* innenweiterbildung, Teil I – Eine Systematisierung

Katja Koch & Felix Linström

Das Weiterbildungssystem der DDR kannte mannigfache Formate des kollegialen Erfahrungsaustausches. Die Pädagogischen Lesungen stellten dabei eine Form dar, die durch spezifische Merkmale charakterisiert war. Im vorliegenden Beitrag erfolgen eine systematische Beschreibung und Darstellung konzeptioneller Elemente des Weiterbildungssystems. Auf dieser Grundlage werden die Pädagogischen Lesungen innerhalb dieses Systems verortet und ihre Charakteristika herausgearbeitet.

08/ 2020 „…die Höhen der Kultur stürmen und von ihnen Besitz ergreifen“ ...

„…die Höhen der Kultur stürmen und von ihnen Besitz ergreifen“ – die Förderung „Schreibender Schüler“ im Kontext umfangreicher Kulturalisierungsbemühungen in der DDR von 1957 bis 1989 im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Katja Koch & Kristina Koebe

Der hiermit vorgelegte Beitrag bettet die Förderung Schreibender Schüler*innen in der DDR in eine Traditionslinie ein, die Ende der 1950er Jahre mit der Etablierung der Bewegung der Schreibenden Arbeiter beginnt. Der hier vorgelegte Text betrachtet zunächst exemplarisch vier Ausprägungen eines beeindruckend breit angelegten Bemühens um die Involvierung breiter Bevölkerungsschichten in Kunst- und Literaturrezeption und -produktion: den FDGB-Literaturpreis als landesweites Instrument der Leseförderung in Betrieben, die systematische Schaffung niedrigschwelliger Textproduktionsanlässe in Form von Brigadebuchbeiträgen, die „Zirkel Schreibender Arbeiter“ als Mittel der Talentförderung und die daraus hervorgehende und sich gleichzeitig recht autark entwickelnde Schreibende-Schüler-Bewegung. Für die detaillierte Beschäftigung mit der Förderung schreibender Schüler*innen in der DDR, dem Schwerpunkt des zweiten Teils, sind die Pädagogischen Lesungen maßgeblicher Untersuchungsgegenstand, da es sonst kaum Lehrmittel gab, die den als Zirkelleiter*innen tätigen Pädagog*innen methodische Anleitung für ihre Arbeit boten. Damit schlossen die Lesungen in diesem Fall besonders explizit eine Anleitungslücke und sind somit zentrales Zeugnis der zugrundeliegenden Lernziele und der didaktischen Herangehensweise der als Anleiter*innen schreibender Schüler*innen aktiven Lehrkräfte. Dabei wird eine Differenzierung der pädagogischen Intentionen möglich: während einige Pädagog*innen eine Begeisterung für die Literaturproduktion vermitteln wollen, fokussieren andere – damit stärker in der Traditionslinie der „Schreibende Arbeiter“-Bewegung verbleibend – auf die ideologische Erziehung mittels Literaturproduktion und nehmen durch entsprechende inhaltliche Vorgaben eine starke Lenkung vor.

09/ 2020 Zur Erziehung der „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ – Sportunterricht

Zur Erziehung der „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ – Sportunterricht an Hilfsschulen in der DDR

Juliane Lanz

Das ab 1965 klar formulierte Ziel, eine allseits entwickelte sozialistische Persönlichkeit zu erziehen, beeinflusste alle Teile der Gesellschaft der DDR. Der Sportunterricht folgte den Vorgaben ebenfalls, wie die Lehrpläne bestätigen. Der Anspruch galt auch für Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten und kognitiven Behinderungen, die an sogenannten Hilfsschulen unterrichtet wurden. Dem Sport kam hierbei eine herausragende Rolle zu, denn die mit dem Unterricht verfolgten pädagogischen Anforderungen waren hoch und umfassten sowohl gesellschaftspolitische und ideologische als auch physiologische Ziele, wie eine Lehrplananalyse zeigt. Verschiedene staatlicherseits herausgegebene Materialien, die den Lehrerpersonen u.a. mit den sogenannten „Unterrichtshilfen“ und ähnlichen Publikationen zur Verfügung standen, machten ein Erreichen dieser Ziele – zumindest auf dem Papier – greifbar. Des Weiteren boten sich die Pädagogischen Lesungen, die von Lehrer*innen für Lehrer*innen erstellt wurden, als hilfreiche Unterstützung an, da sie aus der Praxis für die Praxis Material zur Verfügung stellten. Die Analyse letzterer zeigt, dass für engagierte und interessierte Pädagog*innen Spielräume in der Gestaltung des Sportunterrichts existierten, beziehungsweise Lücken identifiziert wurden, denen eigene inhaltliche Konzepte entgegengestellt wurden. Die Erziehung des Hilfsschulkindes zu einer allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit wurde vor allem insofern gefolgt, so lange dieses Ziel half, den Schüler*innen die bestmögliche Chance auf gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Archiv Schriftenreihe 2021 / Jahrgang 3
10/ 2021 Pädagogische Lesungen in Zeitzeug*innenerinnerungen

Prozesse um Entstehung und Bearbeitung der Pädagogischen Lesungen in Zeitzeug*innenerinnerungen

Katja Koch & Kristina Koebe

Im Rahmen des Teilprojekts „Sozialistische Schule zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ und dessen Beschäftigung mit den Pädagogischen Lesungen als institutionalisierter Form der Erfahrungsweitergabe innerhalb der DDRLehrer*innenschaft (Koch, Koebe, von Brand & Plessow, 2019) wurden über drei Jahre hinweg aktiv Personen gesucht, die vor 1989 in das Produktions- und Distributionsgefüge des Formats eingebunden waren – die sogenannten Zeitzeug*innen. Der nachfolgende Beitrag unterzieht die im Verlauf dieses Arbeitsprozesses entstandenen insgesamt 23 Befragungen von seinerzeit mit den Pädagogischen Lesungen als Autor*innen und/oder Bearbeiter*innen befassten Personen einer vergleichenden Analyse. Im Rahmen dieser lotet er – unter Beachtung der methodischen Begrenzungen einer solchen Quelle – aus, inwieweit sich daraus Generalisierbarkeiten ergeben, die es erlauben, bisherige Erkenntnisse und Forschungen zur Er- und Bearbeitung Pädagogischer Lesungen in der DDR zu bestätigen, zu ergänzen oder zu differenzieren. Hierzu werden die Erinnerungen zu den einzelnen Arbeitsphasen und zu diversen assoziierten Vorgängen (Honorierungen, Reputationsgewinne) weitest möglich systematisiert und auf dieser Basis herausgearbeitet, dass es in der Tat mehrere Dimensionen der Arbeit mit den Pädagogischen Lesungen gibt, die bislang von keiner anderen Quelle in dieser Form betrachtet oder derartig vertieft wurden.

11/ 2021 Zwischen Drill und Lagerfeuerromantik – Wehrerziehung und Wehrunterricht an Hilfsschulen...

Zwischen Drill und Lagerfeuerromantik – Wehrerziehung und Wehrunterricht an Hilfsschulen der DDR im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Katja Koch & Clemens Decker

Im Schuljahr 1978/79 wird ein Unterrichtsfach Wehrerziehung an Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen (POS) der DDR eingeführt. Mit diesem Schritt erreicht die Integration wehrerzieherischer Elemente in die Bildungsbiografie junger Menschen ihren Höhepunkt. An den Hilfsschulen des Landes allerdings wird dieses Fach nicht curricular verankert – hier findet Wehrunterricht erst im Rahmen der beruflichen Ausbildung statt. Bis heute ist nur wenig darüber bekannt, wie Wehrerziehung und Wehrunterricht bei Jugendlichen mit kognitiven Beeinträchtigungen gestaltet wurden. Hinweise darauf finden sich in bisher nicht analysierten Erfahrungsberichten, den Pädagogischen Lesungen.

Hier werden die theoretischen Postulate der Wehrerziehung im schulischen Kontext der Hilfsschule ebenso beschrieben wie das didaktisch-methodische Vorgehen unter Berücksichtigung der kognitiven Beeinträchtigungen. Als zentraler Ankerpunkt erweist sich ein spezifischer Integrationsbegriff, der die Verteidigung des Vaterlandes sowohl zur Pflicht eines in die Gesellschaft integrierten Menschen macht als auch zu einem zentralen Element des Gelingens von Integration. Zur Kontextualisierung der Thematik stellt der vorliegende Beitrag zunächst die Entwicklung der schulischen Wehrerziehung für Kinder und Jugendliche bis hin zum Wehrunterricht dar und präsentiert anschließend Lehrwerke, -pläne und Unterrichtshilfen zum Thema Wehrunterricht.

12/ 2021 Die Pädagogische Lesungen nach der politischen Wende von 1989

Die Pädagogische Lesungen nach der politischen Wende von 1989 – Geschichte eines ambitionierten Experiments

Kristina Koebe

Bereits wenige Monate nach dem politischen Umbruch von 1989 droht das Format Pädagogische Lesungen in der von der DDR etablierten Form zum Erliegen zu kommen. Der hiermit vorgelegte Beitrag rekonstruiert die Bemühungen einer selbstorganisierten Arbeitsgruppe, in die sich mehrere zu DDR-Zeiten in die Arbeit mit den Pädagogischen Lesungen involvierte Akteure aktiv einbringen, um eine Weiterführung in adaptierter Form. Dabei werden sowohl die aus den bisherigen Erfahrungen gespeiste Planung der zukünftigen Ausgestaltung als auch die nun ideologisch entlastetere rückblickende Prüfung von Format und Popularisierung als aufschlussreich für die historische Einordnung betrachtet. Es wird gezeigt, dass sich die rückblickende kritische Reflexion auf zwei Bereiche konzentriert: die inhaltliche pädagogische Orientierung und die Distribution. Für eine zukünftige Implementierung empfiehlt man vor allem insofern eine Neugestaltung, dass man sich einen unmittelbareren, d.h. durch wenig organisatorische Bearbeitung gebrochenen, Erfahrungsaustausch von Pädagog*in zu Pädagog*in wünscht. Dabei hält man gleichzeitig an anderen zentralen Eigenschaften des Formates fest und betont auch wiederholt den Wert einer wissenschaftlichen Verankerung.

13/ 2021 Zur Verortung der Pädagogischen Lesungen in den Kontext unterrichtsvorbereitender Literatur

Zur Verortung der Pädagogischen Lesungen in den Kontext unterrichtsvorbereitender Literatur der DDR – Eine Darstellung am Beispiel des Deutschunterrichts

Roberto Hübner & Tilman von Brand

In der DDR gab es verschiedene Medien, auf welche Lehrer*innen potentiell für ihre Unterrichtsvorbereitung zurückgreifen konnten, von denen der Lehrplan, das Lehrbuch sowie die Unterrichtshilfen am bekanntesten sein dürften. Während der Lehrplan als ein staatliches Instrument zur Lenkung und (gewissen) Vorstrukturierung von Bildungs- und Erziehungsprozessen fungierte, zeigten Unterrichtshilfen konkretere Realisierungsmöglichkeiten dieser Vorgaben und hatten einen stärkeren Empfehlungscharakter. In welchem Verhältnis dazu die Pädagogischen Lesungen standen, wurde bislang aber nicht thematisiert. Daher versucht der Beitrag, dieses in jüngster Zeit an Interesse gewinnende Quellenmaterial medial zu verorten und seinen Platz innerhalb der gängigen unterrichtsnormierenden bzw. -unterstützenden Formate zu schraffieren. Im Ergebnis zeigt sich u.a., dass auch in der DDR trotz aller Vorgaben und Empfehlungen die Lehrperson für die möglichst effektive didaktisch-methodische Gestaltung des Unterrichts verantwortlich war. Gerade hier eröffnen die Pädagogischen Lesungen neue Forschungspotenziale, da sie per definitionem ein solches Format darstellten, in welchem Lehrer*innen ihre in der Praxis erprobten Erfahrungen aufbereiten und der pädagogisch sowie didaktisch-methodisch interessierten Öffentlichkeit darbieten konnten.

14/ 2021 Weiterbildung mit dem Fernsehformat „Von Pädagogen für Pädagogen“ ...

Die Erweiterung der DDR-Lehrer*innenweiterbildung um das Fernsehformat „Von Pädagogen für Pädagogen“ von 1970 bis 1982

Katja Koch & Kristina Koebe

Die DDR-Pädagog*innen adressierende Sendereihe „Von Pädagogen für Pädagogen“ wurde 1970 etabliert und in dieser Form über dreizehn Jahre hinweg in ungefähr monatlichen Intervallen ausgestrahlt. Der hiermit vorgelegte Beitrag verortet die Sendung innerhalb der Weiterbildungslandschaft der DDR und bemüht sich um die Rekonstruktion von Sendungsentstehung und -weiterentwicklung. Letztere bietet auch deshalb einen wertvollen Einblick in das Aus- und Weiterbildungssystem der DDR, weil sie sich im Kooperations- aber durchaus auch Spannungsfeld zwischen Ministerium für Volksbildung, Akademie der Pädagogischen Wissenschaften (APW), Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW) und den DDR-Schulen (sowohl in der Funktion als Mitproduzenten als auch als Rezipienten) vollzog. Es wird deutlich, dass das Format stark von ministerialen Vorgaben beeinflusst war, sich gleichzeitig aber auch dem Urteil der Lehrer*innen hinsichtlich seiner praktischen Relevanz stellen musste, um die intendierte Funktion – eine Weiterbildung jenseits der organisierten Veranstaltungen – erfüllen zu können. Die Betrachtungen machen außerdem deutlich, dass die beiden mit der Organisation beauftragten Institutionen (zunächst die APW, dann das ZIW) hierbei durchaus eigene Perspektiven beisteuerten und damit nicht auf die Rolle der Ausführenden von Ministeriumswünschen reduziert werden können. Das Ergebnis der Kooperation war eine Sendereihe, die ein – wissenschaftlich fundiertes – Wunschbild von DDR-Unterricht präsentierte. Gleichzeitig nutzte sie aber auch das Feedback von Praktiker*innen zur Optimierung und ist damit als Dokumentation von durch die Praxis akzeptierten (aber nicht notwendig implementierten) Bildungsidealen einzuordnen.

Archiv Schriftenreihe 2022 / Jahrgang 4
15/ 2022 DDR-Patenbrigaden und ihre Rolle in der Volksbildung von 1955 bis 1989

Zwischen „allumfassender Sorge für unsere Kinder“ und der Erziehung zur „Liebe zur Arbeit“ - DDR-Patenbrigaden und ihre Rolle in der Volksbildung von 1955 bis 1989

Kristina Koebe, Juliane Lanz, Clemens Decker & Anita Henneberger

Dieser Beitrag betrachtet die Pädagogischen Lesungen zum Thema Patenbrigadearbeit im Kontext anderer Diskurse. Er arbeitet heraus, dass die Lesungen mangels anderer Hilfestellungen eine zentrale Rolle bei der Weiterbildung der Fachkräfte mittels Weitergabe gesammelter Erfahrungen spielten – und, dass das Format ein besonderes Innovationspotential entfalten konnte. Gleichzeitig werden bislang wenig beleuchtete Grenzen des Mediums sichtbar: Offenbar hatten die Pädagogischen Lesungen nach ihrer Entstehung nur eine zeitlich stark befristete Weiterbildungswirkung, wurden also nur in der unmittelbaren Folgezeit breit rezipiert. Dies führte dazu, dass über Dekaden hinweg ähnliche Problemstellungen immer aufs Neue behandelt wurden und Problemlösungssuchen in Form von Empfehlungen nicht aufeinander aufbauten. Ergänzend dazu beleuchtet der Beitrag die pädagogischen Zielsetzungen, die die Verfasser*innen der Texte mit ihrer Arbeit verbanden und leistet damit einen Beitrag zur Rekonstruktion des Formats Patenbrigade als ein in der DDR-Gesellschaft fest verankertes Erziehungs- und Bildungsprojekt.

16/ 2022 Die „Timurbewegung“ der DDR im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Die „Timurbewegung“ der DDR im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Tilman von Brand & Kristina Koebe

Der vorliegende Beitrag konturiert zunächst die Herausbildung der Timurbewegung in der DDR, um dann die damit verbundenen pädagogischen und gesellschaftlichen Zielstellungen genauer zu beleuchten. Anhand der überlieferten Pädagogischen Lesungen zu diesem Thema werden Intentionen der involvierten Fachkräfte und die daraus entwickelten Methoden der angeleiteten Timurarbeit in den 1970er und 1980er Jahren im diachronen Verlauf betrachtet. Dabei wird eine sich verändernde Bezugnahme auf das legitimierende Narrativ, Gaidars Jugendroman „Timur und sein Trupp“, konturiert. Hier wird deutlich, dass die Timurarbeit mit Kindern in der DDR weniger im Dienste der praktischen Unterstützung von Bedürftigen als vielmehr zur Umsetzung von Erziehungszielen im Kontext der „Herausbildung sozialistischer Persönlichkeiten“ befördert wurde. Die Autorinnen verdeutlichen, dass sie dies nur mit starker Lenkung für realisierbar halten und deshalb zentrale im Roman geschilderte Helferformate in eigene, stark angeleitete, organisatorische Lösungen überführen. Auch dieser versuchte Spagat verhindert wohl, dass das zweifellos vorhandene Potential der literarischen Vorlage für eine hohe intrinsische Motivation der beteiligten Timurhelfer*innen wirklich zum Tragen kam. Die Timurhilfe ist und bleibt in diesen beiden Dekaden ein an Lehrkraft oder Pionierleiter*in

gekoppeltes Format.

17/ 2021 Der Übergang vom Kindergarten zur Schule in der DDR im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Der Übergang vom Kindergarten zur Schule in der DDR im Spiegel der Pädagogischen Lesungen

Katja Koch & Kristina Koebe

Dass dem Transitionsprozess von vorschulischen Institutionen in die Schule eine immense Bedeutung zugemessen werden muss, ist international unumstritten. Nicht ganz so einig ist man sich darüber, wie genau dieser Übergang gestaltet werde sollte und in welchem Maße Kindertagesstätten als schulvorbereitende Einrichtungen definiert werden. Der folgende Beitrag fokussiert die stark kontrastierende Entwicklung in der DDR. Anhand eines Konvoluts von 22 Erfahrungsberichten (Pädagogischen Lesungen) aus den Jahren 1963 bis 1988 wird dargestellt, welche Gelingensbedingungen für den Transitionsprozess bereits vor Jahrzehnten in der Praxis der DDRKindergartenpädagogik identifiziert und gezielt mit pädagogischem Handeln unterlegt wurden.

18/ 2022 Die Pädagogischen Lesungen im Rahmen der DDR-Lehrer*innenweiterbildung, Teil II

Die Pädagogischen Lesungen im Rahmen der DDR-Lehrer*innenweiterbildung, Teil II – das Weiterbildungsformat der Pädagogischen Lesungen aus Sicht der Protagonist*innen

Felix Linström

Im Zuge der Erschließung der Pädagogischen Lesungen als bildungshistorische Quelle für die DDR-Forschung wurden 23 Zeitzeug*inneninterviews geführt, die unter anderem zur Rekonstruktion der Entstehungsschritte des Formats herangezogen wurden (Koch & Koebe, 2021). Dabei schließt sich der vorliegende Text inhaltlich an den genannten Beitrag von Koch und Koebe (2021) an und untersucht die Umsetzung und Ausgestaltung des Entstehungsprozesses der Pädagogischen Lesungen. Im Unterschied dazu wird im folgenden Beitrag jedoch eine zeitgenössische Innenperspektive eingenommen, die sich aus der Analyse von Pädagogischen Lesungen ergibt, die die Optimierung des Weiterbildungsformats selbst fokussierten. So wird der Entstehungsprozess der Pädagogischen Lesungen rekonstruiert, wie er sich für die Protagonist*innen, sozusagen aus dem Blick der Fortbildner*innen, ergab. Aus der Sichtweise der Fortbildner* innen lassen sich auch dann wiederum Aussagen über die anschließende Verwertung der Pädagogischen Lesungen generieren.

Archiv Schriftenreihe 2023 / Jahrgang 5
19/ 2023 Kein „Teaching to the test“? – Der Stellenwert der schriftlichen Abiturprüfungen ...

19/ 2023 Kein „Teaching to the test“? – Der Stellenwert der schriftlichen Abiturprüfungen im Spiegel der Pädagogischen Lesungen der DDR

Katja Koch, Tilman von Brand, Roberto Hübner und Kristina Koebe

Der hier vorgelegte Beitrag befragt die Pädagogischen Lesungen über die Abiturstufe darauf, inwiefern sie die schriftlichen Abiturprüfungen im Fach Deutsch thematisieren und zu welchen Unterrichts- und Erziehungszielen sowie bildungspolitischen Vorgaben diese Thematisierungen in Bezug gesetzt werden. Es wird untersucht, inwiefern die Autor*innen eine gezielte Prüfungsvorbereitung thematisieren, ob Aussagen zum Stellenwert dieser Examina getroffen werden und inwieweit sich hier auch Gestaltungsspiel- und Ermessensräume einzelner Schulen oder gar Lehrkräfte erkennen lassen. Dabei wird deutlich, dass die schriftlichen Abituraufsätze vergleichsweise selten explizites Thema sind. Wo dies geschieht, rekurriert man auf die Prüfungsergebnisse als Indikatoren für erfolgreiche oder verbesserungsbedürftige Vermittlung fachlicher Inhalte, aber auch hinsichtlich der Erreichung ideologischer und pädagogischer Zielsetzung in der Abiturstufenzeit. Im Zentrum steht dabei die Frage, wo sich Unterrichtsarbeit so verbessern lässt, dass sie eine bestmögliche Vorbereitung auf ein Hochschulstudium gewährleistet, zur politisch-ideologischen Erziehung der Lernenden beiträgt oder bei den Schüler*innen Grundlagen für eine lebenslange Beschäftigung mit Literatur legt.

20/ 2023 Die Verankerung des antifaschistischen Gründungsmythos im Literaturunterricht der DDR

20/ 2023 Die Verankerung des antifaschistischen Gründungsmythos im Literaturunterricht der DDR

Kristina Koebe

Der hiermit vorgelegte Beitrag knüpft an bisherige Forschungen zum antifaschistischen Gründungsmythos als systemkonsolidierendem Narrativ der DDR an. Er richtet den Blick auf den Deutschunterricht, um zu ermitteln, inwiefern der in Lehrplänen und Unterrichtshilfen nahegelegte Beitrag der Unterrichtsarbeit zur Mythenstiftung Eingang in praktisches Handeln von DDR-Lehrkräften fand. Dabei kann anhand der Beschäftigung mit den literarischen Texten „Das siebte Kreuz“, „Nackt unter Wölfen“ und „Die Abenteuer des Werner Holt“ in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren gezeigt werden, dass der Literaturunterricht tatsächlich zentrale Mytheme aufgreift, hierbei vor allem die zwingende Verbindung von Kapitalismus und Faschismus, die Einordnung der Arbeiterklasse als grundsätzlich antifaschistisch und größte Gegnerschaft der Faschist*innen und die Präsentation der Kommunist*innen als einzige wahre Führung des deutschen Antifaschismus. Gleichzeitig kann der Beitrag Veränderungen hinsichtlich der mit dem antifaschistischen Gründungsmythos verbundenen Erziehungsziele aufzeigen und damit eine bislang nicht erfolgte Ausdifferenzierung der mythenstiftenden Unterrichtsarbeit vornehmen.